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Die Sache mit den Fröschen

Ich bin so mit sieben oder acht Jahren, als ich in der ersten oder zweiten Klasse war, Schlüsselkind gewesen. Sprich: Meine Mutter hat mir recht früh einen eigenen Wohnungsschlüssel anvertraut, den sie mir damals – wie der Milchkuh von der Alm die Kuhglocke – mit einer robusten Kordel um den Hals gehängt hat. Damit ich ihn auch ja nicht in der Schule oder auf dem Weg dorthin oder von dort nach Hause verlieren konnte. Und dabei hat sie mir aufs Schärfste eingebläut, ihn nicht von innen im Türschloss der Wohnungstür stecken zu lassen, wenn ich mal an den Briefkasten im Treppenhaus musste oder runter in den Keller oder auch raus zum Spielen wollte. Denn das hätte sie dann wiederum viele Nerven gekostet und auch einiges an Geld.

Warum sie mich nicht dauerhaft dem sonst üblichen Schulhort anvertraut hat, in den nach dem Unterricht viele der Kinder damals gingen?
Nun sie war wohl der Meinung gewesen, dass ich dort in Sachen Hausaufgaben und der Nachkontrolle dieser nicht gewissenhaft betreut wurde. Denn sie hat sich nach der Arbeit, am Abend, immer noch einmal hingesetzt und ist diese mit mir zusammen dann durchgegangen und hat sie mir auf Fehler überprüft.

Ohm - froggy frog - Das Bild passt gut zum Text.

Ich erinnere mich nicht mehr so genau: Aber irgendwann muss sie wohl gemeint haben, dass sie mir die zentralstaatliche Nachmittagsbetreuung im Schulhort auch ersparen könne, wenn sie am Ende eh die ganze Arbeit mit mir und meinen schludrig gemachten Schulaufgaben hätte.
Denn die Hortnerinnen haben sich damals nicht wirklich die Zeit genommen, um den Kindern, die sich mit dem selbstständigen Lernen und den Hausaufgaben im Eigenstudium schwertaten, das Wissen sozusagen hinterherzutragen und es ihnen mit Geduld und Engelszungen einzubläuen. Wie hätte das auch funktionieren sollen. Denn in so einer Hortgruppe tummelten sich mitunter sehr viele Nachmittagskinder, die allesamt ihre Schulaufgaben zu erledigen hatten und die dann von den Horterzieherinnen nachkontrolliert und bei Richtigkeit gegengezeichnet werden mussten.

Ich weiß noch, dass ich damals immer eine von den Langsamsten gewesen bin, und oft erst spät zum freien Spielen entlassen wurde, bis mich dann entweder meine Mutter oder mein Vater zum Feierabend abgeholt hat. Und ich muss oft schludrig gewesen sein, weil ich nicht die Letzte sein wollte, die Kind sein und spielen gehen durfte.

So bin ich dann ein Schlüsselkind geworden und durfte nach der Schule allein nach Hause gehen und habe zu Hause dann meist die Zeit, bis meine Mutter von der Arbeit nach Hause kam, zur freien Verfügung gehabt. Sprich ich habe damals am Nachmittag erst das Vergnügen gepflegt, bevor zum Feierabend hin dann meine Verpflichtungen anstanden. Sozusagen die die allabendlich mütterliche Nachbetreuung des vorangegangenen Schulunterrichtes.

Und wie Kinder manchmal so sind, habe ich damals in dieser geborgten, freien Zeit ab und an auch einigen Blödsinn angestellt. Ich erinnere mich zwar nur noch bruchstückhaft und verschwommen daran. Aber einmal, meine ich, ging es um ein Geschenk meiner Eltern. Ein Kinderbuch mit lustig illustrierten Tieren darin. Ich meine, es waren Bilder von allerlei Fröschen darin abgedruckt? Und ich glaube mich daran zu erinnern, dass ich die Bilder damals toll fand, aber die Geschichte im Buch dazu blöd.

Ergo beschloss ich eines Nachmittags, meine eigene Erzählung zu den Illustrationen aus dem Buch zu schreiben. Und in Ermangelung nahm ich dafür eins meiner Schulhefte und funktionierte es für meine Zwecke um.
Als die Geschichte das Heft gut gefüllt hatte, beschloss ich diese mit den froschigen Bildern aus meinem neuen Kinderbuch zu illustrieren und schnitt dort so manchen Frosch mit meiner Kinderschere aus, um ihn dann in das Schulheft zu kleben.

So jedenfalls meine ich mich daran verschwommen zu erinnern. Und ich glaube, danach fieberte ich dem Zeitpunkt entgegen, an dem meine Mutter von der Arbeit nach Hause kommen und die Wohnung betreten würde. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich mich darauf gefreut habe oder schlichtweg einen riesigen Bammel davor gehabt habe.
Ich weiß auch nicht mehr, wie meine Mutter darauf reagiert hat und schließlich dann auch mein Vater. Ich habe keinen blassen Schimmer mehr, ob ich für diese Tat eine verbale oder vielleicht sogar tatkräftig körperliche Tracht Prügel bekomme habe oder wie sie sonst darauf reagiert haben.

Und ich male mir heute tatsächlich die Möglichkeit aus, dass sie mich – entgegen meiner heute diffusen Befürchtung – vielleicht sogar dafür gelobt haben, weil sie erkannt haben, wie reich ich damals schon an Fantasie gewesen bin und vermutlich auch an Kreativität?

Ich weiß es schlichtweg nicht mehr.

Aber eins weiß ich noch sehr genau: Ich habe es als Kind geliebt, wenn wir in der Schule Aufsätze zu freien Themen schreiben durften, ohne enge Vorgaben von Seiten der Lehrer. Ich mochte damals schon die freie Erzählung, das freie Ersinnen von ersponnenen Dingen.

Und so ist sie wohl entstanden, meine Leidenschaft zum kreativen Schreiben. Und der Frosch als Symbol und Krafttier aber auch als Metapher hat es mir heute noch angetan.

© CRSK, LE, 09/2023